Das zweite Album einer Band ist oft eine Herausforderung, da die Fans hohe Erwartungen stellen und man als Künstler gerne mal vor der Entscheidung steht: Gefallen wollen oder überraschen? In Zeiten zunehmender digitaler Anonymität und vermeintlich keimfreier Perfektion hat das Hannoveraner/Stuttgarter Rock’n’Roll-Trio Nitrogods einen zwar mühsameren, aber auf lange Sicht künstlerisch befriedigenderen Weg gewählt. Ihre Songs erfüllen keine Kriterien von absoluter Klangreinheit, spielerischer Unversehrtheit oder klinischer Sterilität. Ganz im Gegenteil: Bewusst wurde ihr zweites Studioalbum «Rats And Rumours» in einem Tonstudio mit analoger Technik aufgenommen, in dem Phänomene wie Spulenwechseln und regelmässiges Tonkopfsäuberungen zum Tagesgeschäft gehören. Keine Frage: Aufnahmeprocedere und Bandphilosophie auf «Rats And Rumours» passen perfekt zu den Nitrogods. Und das Album schiesst sowas von dermassen durch die Decke, dass es eine wahre Freude ist!
Mit dem Debutalbum «Nitrogods» brachten die drei Musiker bereits etwas auf den Markt, was zwar nicht einmalig ist, jedoch kaum einzuholen. Um mit der zweiten Scheibe mithalten zu können, mussten sich die Nitrogods also kräftig ins Zeug legen. Gitarrist Henny Wolter dazu: «Wir sind überzeugte Vintage-Freaks und haben wirklich jede Sekunde genossen, auf einer altehrwürdigen 24-Spur-Bandmaschine aufzunehmen. Natürlich ist eine solche Produktion weitaus aufwändiger und mühsamer, denn man kann nicht einfach ganze Passagen per Copy&Paste-Funktion hin und her schieben, sondern muss seine Songs auch wirklich komplett draufhaben. Wenn man sich mal verspielt hat, fängt man halt jedes Mal wieder ganz von vorne an. Aber genau das ist ja auch die spannende Herausforderung einer solchen Produktion, bei der man am Ende mit einem echten Rock’n’Roll Sound belohnt wird.»
Mehr als ein Dutzend neue Songs hat die Band von Henny Wolter, Sänger/Bassist Oimel Larcher und Schlagzeuger Klaus Sperling aufgenommen, einige davon kennen die Fans der Band bereits aus den Konzerten. Wolter erklärt uns dazu: «Direkt nach der Veröffentlichung unseres Debütalbums vor zweieinhalb Jahren haben wir sofort wieder angefangen, neue Songs zu schreiben. Deshalb konnten wir Stücke wie ‹Back Home›, ‹Nitrogods› oder ‹Whiskey Supernova› auch bereits in unseren Shows vor Publikum auf Herz und Nieren prüfen.» Insgesamt findet man auf dem neuen Album 13 Stücke, mit denen die stilistischen Direktiven des Erstwerks fortgesetzt werden, die dabei aber gleichzeitig variantenreicher und hörbar vielschichtiger ausgefallen sind. Auch anno 2014 sind die Vorbilder der Nitrogods bei weitem nicht ausschliesslich im Hard&Heavy-Bereich zu finden, sondern erstrecken sich über die gesamte Szenerie der Rockmusik. «Wir lieben alles von Status Quo über Motörhead, Stray Cats, Clash bis zu AC/DC», gibt Wolter zu, «und aus genau dieser Mischung setzen sich auch unsere Songs zusammen. Uns ist klar, dass wir damit das Rad nicht neu erfinden werden, aber immerhin bereifen wir es ordentlich.»
«Rats And Rumours» beginnt mit einer typischen Nitrogods-Nummer und ist eine Verneigung vor Motörhead der frühen 80er. Hell yeah, sowas gefällt! «Irish Honey» erinnert entfernt an «London Calling» von The Clash, denn da wird äusserst gelungen auf Nitrogods-Art dem Rockabilly gehuldigt. Der Song «Automobile» lotet die Schnittmenge zwischen Metal und Rockabilly noch offenkundiger aus und auch der Track «Nitrogods» wird von rauem Rock’n’Rockabilly-Feeling diktiert. Hier lebt Henny im Gesang sein Leidenschaft zum Sleeze aus und ahmt mit dieser Spielart die Motorgeräusche eines, na sagen wir mal V8, nach, der hochtourig auf der Strasse beschleunigt. «Nothing But Trouble» ist ebenfalls eine typische Henny Wolter-Nummer, hört man ihn doch abermals singen und der Stil ist schön dreckig und angepisst, aber ohne die whiskygeschwängerte Schwärze von Oimels Stimme.
Die Nummer «Ramblin` Broke» bezeichnet Wolter als Blues-Ausreisser: «Das Stück hat im Grunde genommen mit Heavy Metal nichts zu tun, sondern hätte in dieser Form auch von John Fogerty oder Creedence Clearwater Revival stammen können.» Der Song erinnert entfernt an Tito & Tarantula und deren Auftritt im Kultmovie «From Dusk Till Dawn». Kurz und schmerzlos fällt der Song «Dirty Old Man» aus und mit «Damn Right (The Call It Rock’n Roll)» und «Back Home» nimmt dann die Geschwindigkeit wieder kräftig Fahrt auf. Eine grossartige Biker-Nummer ist «BMW», der so nur von einem echten Biker, so wie Oimel einer ist, stammen kann. Der Sound des Albums klingt wunderbar und man hat das Gefühl die Musiker vor sich spielen zu sehen. Beim CD-Cover hat man sich am Stil der ersten Scheibe orientiert. So darf der Schädel wieder mit Helm und Helmbrille die Front des Albums zieren.
Die Nitrogods zeigen allen Skeptikern des ersten Albums ihre sechs Mittelfinger und gehen den eingeschlagenen Weg konsequent weiter. Mit «Rats And Rumours» beweist die Band stilistische Bandbreite, die Songs haben Ohrwurmcharakter und man merkt den ‹Gods den Spass an, die Stilelemente anderer Richtungen mit einzuflechten und ihren eigenen unverwechselbaren Stil daran wachsen zu lassen. Allgemein ist «Rats And Rumours» etwas abwechslungsreicher als die 2012 erschienene CD. So ist zum Beispiel der Stil und die Stimme bei «Nothing But Trouble» eher beim 70th Hard Rock angelehnt, als beim sonstigen eher Rock’n’Roll lastigen Rest. Thematisch bedient man sich sämtlichen Klischees, wo «Irish Honey» und «Whiskey Supernova» eine Hommage an das «Wasser des Lebens» ist, geht es bei anderen Songs um Autos, Ehre und jede Menge Nitro! Nitrogods klingen richtig schön rotzig und wer die Debütplatte mochte oder mal wieder schön dreckigen Hard Rock mit Rock’N’Roll-Allüren hören möchte, der wird hier seinen Spass haben. «Rats And Rumours» ist die perfekte Scheibe für die Autofahrt und einen netten Abend mit Kollegen. Wer also was sucht das wirklich derbe rockt kann hier getrost zuschlagen.
Das Album könnt ihr in unserem Shop kaufen.
Tracklist:
- Rats & Rumours
- Got Pride
- Irish Honey
- Automobile
- Damn Right (They Call It Rock’n Roll)
- Nothing But Trouble
- Back Home
- Dirty Old Man
- Ramblin› Broke
- BMW
- Lite Bite
- Nitrogods
- Whiskey Supernova
- Black Car Driving Man (Live) (Bonus Track)
- Whiskey Wonderland (Acoustic) (Bonus Track)
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